Förderinstitution
Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (MWWK) Rheinland-Pfalz
Projektlaufzeit
2011 bis 2014
Am Modellversuch beteiligte Hochschulen
Technische Hochschule Bingen, Hochschule Kaiserslautern, Hochschule Koblenz, Hochschule Mainz, Hochschule Trier
Ziel
Bereits seit 1996 können beruflich Qualifizierte auch ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung (Fachabitur, Abitur) in Rheinland-Pfalz studieren. Mit der Neuregelung des Landeshochschulgesetzes vom 01.09.2010 ist der Übergang von der beruflichen Bildung in die Hochschulen deutlich erleichtert worden. So erhalten Personen, die eine Meisterprüfung abgelegt haben, zukünftig eine unmittelbare Hochschulzugangsberechtigung für das Studium aller Fächer an Fachhochschulen und Universitäten. Studieninteressierte, die eine berufliche Ausbildung abgeschlossen haben und danach mindestens zwei Jahre beruflich tätig waren, erhalten eine Zugangsberechtigung für das Studium aller Fächer an Fachhochschulen und eine fachgebundene Zugangsberechtigung für Universitäten. Das bisher erforderliche Probestudium und die Eignungsfeststellungsprüfung entfallen.
Im Rahmen eines bundesweit einzigartigen Modellversuchs soll ermittelt werden, ob bzw. unter welchen Bedingungen auf die zweijährige Berufserfahrung verzichtet werden kann. Hintergrund ist die bislang ungeklärte Frage, ob sich die Berufstätigkeit im Anschluss an die Berufsausbildung auf den Studienerfolg eher positiv auswirkt – weil hier Kompetenzen erworben werden, die auch für ein Studium von Vorteil sind – oder aber negativ – da der Prozess strukturierten Lernens unterbrochen wird.
Inhalt
Ausgehend von einer Experimentierklausel im Landeshochschulgesetz werden vom Sommersemester 2011 bis zum Wintersemester 2012/13 an ausgewählten Standorten beruflich Qualifizierte direkt im Anschluss an ihre Berufsausbildung zum Studium zugelassen. Die Aufnahme des Studiums für beruflich Qualifizierte auch ohne die sonst geforderte zweijährige Berufserfahrung ist seit dem Sommersemester 2011 in fünf ingenieurwissenschaftlichen Bachelor-Studiengängen an der Hochschule Koblenz (Elektrotechnik, Mechatronik, Mechanical Engineering, Bauingenieurwesen, Informationstechnik) sowie in dem berufsintegrierenden Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre der Hochschule Mainz möglich. Ab dem Wintersemester 2011/12 besteht diese Möglichkeit auch an der Technischen Hochschule Bingen in dem berufsintegrierten Bachelorstudiengang Prozesstechnik und dem Bachelorstudiengang Maschinenbau sowie an der Hochschule Trier in dem Bachelorstudiengang Elektrotechnik. Neben den bereits genannten Studiengängen wurde der Modellversuch zum Wintersemester 2012/13 ausgeweitet auf den Vollzeit-Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Mainz, den Bachelor-Studiengang Technische Gebäudeausrüstung und Versorgungstechnik an der Hochschule Trier sowie auf fünf Bachelor-Studiengänge der Hochschule Kaiserslautern (Elektrotechnik, Finanzdienstleistungen, Mittelstandsökonomie, Angewandte Informatik, Medieninformatik und Medizininformatik). Damit können beruflich qualifizierte Studieninteressierte ohne zweijährige Berufstätigkeit im Wintersemester 2012/13 zwischen 17 Studiengängen an fünf Hochschulen in Rheinland-Pfalz wählen.
Untersuchungsdesign/ Methodisches Vorgehen
Mithilfe von Panelbefragungen von vier Studienanfängerkohorten wurden Studienverläufe von Beruflich Qualifizierten untersucht. Befragt wurden alle beruflich qualifizierten Studienanfänger*innen (mit und ohne Berufserfahrung) an rheinland-pfälzischen Hochschulen ab dem Sommersemesters 2011. Diese erste Kohorte wurde über die gesamte Zeit des sechssemestrigen Bachelorstudiums begleitet, die zweite, dritte und vierte Kohorte wurden bis nach dem fünften, vierten bzw. dritten Semester befragt.
Ergänzend zu den quantitativen Befragungen wurden Gruppendiskussionen mit beruflich qualifizierten Studierenden (mit und ohne Berufserfahrung) sowie Studierenden mit schulischer Hochschulzugangsberechtigung an den Hochschulen im Modellversuch durchgeführt, um Befragungsergebnisse rückspielen und Begründungszusammenhänge für Bewertungen eruieren zu können. Darüber hinaus wurden Gespräche mit Lehrenden geführt.
Zudem wurden im Rahmen der Evaluation semesterweise hochschulstatistische Daten an den Modellhochschulen erfasst. Die Daten dienten dazu – in Ergänzung zu den Befragungsdaten – die Studienverläufe anhand objektiver Leistungsindikatoren (u.a. Verbleibquoten, erzielte Leistungspunkte und Durchschnittsnote in ausgewählten Semestern sowie Dauer des Studiums und erzielte Abschlussnote) nachzuzeichnen.
Zentrale Ergebnisse
Bei günstigen Rahmenbedingungen in der jeweiligen Hochschule und gezielten Unterstützungsangeboten – wie beispielsweise Vorkursangeboten vor allem in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern und Repetitorien – kann das Zugangskriterium Berufserfahrung dauerhaft entfallen. Als besonders geeignet erwiesen sich praxisorientierte und berufsbegleitende (Fach-)Hochschulstudiengänge. Im Einklang mit den vorliegenden Ergebnissen hat das Land Rheinland-Pfalz entschieden, in Studiengängen, die unter Berücksichtigung der für den Studienerfolg entscheidenden Faktoren geeignete Rahmenbedingungen bieten, auf die zweijährige Berufserfahrung zu verzichten.
Dokumentiert wurden die Ergebnisse u.a. in folgenden Publikationen und Vorträgen:
Berg, Helena (2015): Kompetenzen und Kompetenzpassung Beruflich Qualifizierter in Ausbildung und Studium. In: Elsholz, Uwe (Hrsg.): Beruflich Qualifizierte im Studium. Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag; S. 135-150.
Lübbe, Holger/Berg, Helena (2015): Von der Ausbildung an die Hochschule? Die Bedeutung der Berufserfahrung als Zulassungskriterium für beruflich Qualifizierte. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 44(3); S. 24-27.
Lübbe, Holger/Berg, Helena (2015): Modellprojekt „Beruflich Qualifizierte an rheinland-pfälzischen Hochschulen“. Abschlussbericht. Mainz.
Berg, Helena / Grendel, Tanja / Haußmann, Iris / Lübbe, Holger / Marx, Andreas (2014): Der Übergang beruflich Qualifizierter in die Hochschule. Ergebnisse eines Modellprojektes in Rheinland-Pfalz. (=Mainzer Beiträge zur Hochschulentwicklung, Bd. 20. Herausgegeben vom Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung, ZQ). Mainz.