Ergebnisse der durchgeführten Modellprojekte

Im folgenden ein Auszug (Kapitel 6: "Zusammenfassung und Empfehlungen") des Bd. 2 der Mainzer Beiträge zur Hochschulentwicklung "Problembereiche und Reformansätze in Studium und Lehre".

Die Beobachtungsfunktion von Modellprojekten

Ein wesentliches, sich über die vergangenen Jahre hinweg bestätigendes Ergebnis der Modellprojekte ist, dass das Wissen über Probleme und Stärken in Studium und Lehre an vielen Stellen der Universität vorhanden und greifbar ist, aber oft nur in informeller Weise weitergegeben wird.

Über die Gründe für die im Einzelfall fehlende Bereitschaft, dieses Wissen explizit zu machen, soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden. Es ist jedoch zu vermuten, dass die enge Verknüpfung mit Fragen der Legitimation und daran anknüpfend der Ressourcensicherung zu einer ‚institutionalisierten' Zurückhaltung und zur Nichtpreisgabe von ‚Schattenwissen' geführt hat, so dass die öffentliche Thematisierung von Problemfeldern innerhalb und außerhalb der Hochschulen über lange Zeit tabuisiert wurde.

Dies hat sich in den vergangenen Jahren - so lässt sich zumindest für die hiesige Universität anführen - grundlegend geändert. Vor allem die an der Universität Mainz durch das ZQ durchgeführten Evaluationen dokumentieren, dass die Fächer und Fachbereiche zunehmend selbstbewusst mit bislang als intern erachtetem Wissen umzugehen wissen. Es zeigte sich vor allem, dass die hiermit betriebene Form der ‚Selbstvergewisserung' nicht nur eine Schwächen-, sondern in gleichem Maße eine Stärkenanalyse beinhaltet.

In vielen Fällen bereitete im Rahmen des internen Evaluationsberichtes die Formulierung der Leistungen des Fachs Schwierigkeiten, und die Fächer zeigten sich überrascht, dass die Wahrnehmung des Fachs von außen, aber auch durch die eigenen Studierenden zum Teil deutlich von den vorzufindenden Gegebenheiten abwichen.

Die beabsichtigte Beobachtungsfunktion der Modellprojekte war vor allem in den ersten Jahren des Gesamtprojektes von Bedeutung. Die mit der Antragstellung geforderte Definition von notwendigen Anpassungsleistungen in Studium und Lehre stellte für die Betrachtung der Universität und die Evaluationen an der Universität Mainz hilfreiche Fragestellungen und Bezugspunkte zur Verfügung.

Die in diesem Band dargelegte Systematisierung von Problembereichen in Studium und Lehre lässt sich nach den bisherigen Erfahrungen weitgehend auf die Universität insgesamt übertragen. Auch für die Forschung gilt, dass sie auf die Balance von Ressourcengewinnung im Sinne von Wissen sowie Personal- und Sachmitteln, eines Selbstverständnisses bspw. im Hinblick auf Forschungsstandards und wissenschaftliche Methoden und Forschungsorganisation angewiesen ist. In gleichem Maße sind die Leistungen der Universität nicht nur durch Forschungs- und Lehrleistungen zu umschreiben, sondern in hohem Maße bspw. auf die Organisation von Wissen und die Abstimmung von Verfahren und Zielen angewiesen.

Insofern - so kann im Hinblick auf die Beobachtungsfunktion resümiert werden - gaben die Modellprojekte erste Einblicke in mögliche analytische Zugänge zur Beschreibung von Hochschulen. Gleichzeitig muss aus unserer Sicht anerkannt werden, dass inzwischen nicht zuletzt mit der Evaluation Instrumente zur Verfügung stehen, die einen weiterreichenden Einblick in die Fachorganisation zulassen. Dies gilt vor allem dann, wenn - wie im Mainzer Modell der Evaluation vorgesehen - neben Studium und Lehre auch die Forschung Gegenstand der Betrachtung ist.

Anpassungsleistungen in Studium und Lehre

Die langjährige Zusammenarbeit im Rahmen der Modellprojekte mit den Fächern und Fachbereichen zeigte, dass Universitäten - wie Organisationen insgesamt - der Notwendigkeit der kontinuierlichen Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen unterliegen.

Eine solche Perspektive legt aus unserer Sicht nahe, zunächst die gegenwärtigen Probleme der Hochschulen nicht an Fragen des ‚Verschuldungsprinzips' zu orientieren und weniger auf individuelle Fehlleistungen als vielmehr auf die Veränderung der externen, aber auch wissenschaftsimmanenten Bedingungen und Prozesse zu blicken, um daran anschließend entsprechende Repräsentationen auf der Individualebene und erforderliche Handlungen und Initiativen zur Reorganisation der Fächer zu untersuchen.

Als wesentliche Entwicklungslinien, die für die gegenwärtige Situation der Hochschulen von Bedeutung sind, können zum einen die Öffnung der Hochschulen im Verlaufe der siebziger Jahre sowie die jeweilige wissenschaftliche Differenzierung genannt werden. In beiden Fällen ist die hier interessierende Ebene weniger jene der quantitativen Weiterung als vielmehr jene der damit verbundenen Strukturanpassungen.

Im Bereich von Studium und Lehre sind - wie im Rahmen dieses Berichtes ausgeführt - kontinuierliche Anpassungsleistungen auf den Ebenen der Ressourcen, der konkreten Ziele von Studium und Lehre, der Integration bzw. der Studienorganisation und der Überprüfung und Abstimmung der eigenen Ziele im Hinblick auf die Studien- und Lehrsituation zu leisten. Diese sukzessive Anpassung ist allerdings im Studien- und Lehralltag nur bedingt zu bewerkstelligen und bedarf definierter Zäsuren sowie Sonderbedingungen, unter denen Maßnahmen erprobt werden können. Insofern stellt bspw. die Evaluation zwar ein gutes Erhebungs- und Analyseinstrument dar und ist - so die bisher gemachten Erfahrungen - in der Lage, auf der Ebene der Fachorganisation vielfältige Modifikationen zu bewirken, doch bedarf sie auf der ‚Mikroebene' der Ergänzung.

Die an der Universität Mainz durchgeführten Modellprojekte konnten in vielen Fällen diese Funktion erfüllen, indem sie nicht zuletzt auf der Ebene einzelner Veranstaltungen sowie im Hinblick auf die Abstimmung von Veranstaltungen Innovationen einleiteten und mögliche Perspektiven und Alternativen aufzeigten.

Die Motivationsfunktion von Modellprojekten

Viele der im Rahmen des Gesamtprogramms durchgeführten Projekte wurden mit einem vergleichsweise geringen finanziellen Aufwand durchgeführt.

Sie lebten insbesondere von dem Engagement und Gestaltungswillen einzelner Hochschullehrer und Mitarbeiter, die in weiten Phasen über ihre sonstigen Aufgaben hinaus die Entwicklung und Durchführung der Projekte verantworteten. Die durch die Modellprojekte zur Verfügung gestellte Unterstützung hatte insofern zum Teil symbolischen Charakter bzw. ermöglichte Bedingungen, unter denen das zusätzliche Engagement unter vertretbaren Rahmenbedingungen geleistet werden konnte. Zudem war zu beobachten, dass die durchgeführten Projekte nur selten auf die Initiative von ganzen Fächern oder Abteilungen zurückgingen und somit an einzelne Personen gebunden waren, die innerhalb des Fachs zum Teil keinen Rückhalt bzw. keine monetäre Unterstützung bspw. für die Erprobung neuer und aufwendigerer Unterrichtsmethoden erwarten konnten. Dies galt vor allem für Dozierende, die über keinen eigenen Personal- und Sachmitteletat verfügen, um den anfallenden Mehraufwand tragen zu können.

Somit lässt sich im Hinblick auf die Motivationsfunktion der Modellprojekte schließen, dass sie zum einen auf der Ebene der durch die Projektfinanzierung vermittelten Anerkennung, zum anderen bezüglich der Vermeidung eines institutionellen Verschleißes, damit aber für die stete Anpassung und die Einführung neuer Methoden und Ideen von Bedeutung ist. Mit anderen Worten halten wir es für unerlässlich, dass Organisationen insgesamt und die Universität im Besonderen Einrichtungen - wie jene der Modellprojekte - bereit hält, um Initiativen zu fördern und zu belohnen - und damit Wandel einzuleiten.

Empfehlungen

Das Programm der Modellprojekte in Studium und Lehre wird - wie zu Beginn bereits erwähnt - ab dem Jahr 2001 voraussichtlich nicht mehr vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung in Rheinland-Pfalz gefördert, da der Schwerpunkt der künftigen reformerischen hochschulpolitischen Tätigkeiten auf den Bereich der Evaluation verlagert werden soll.

Die Johannes Gutenberg-Universität bemüht sich darum, die bereits begonnenen Projekte bis zum Ende der jeweiligen Laufzeit zu fördern. Daran anschließend werden Möglichkeiten der Fortführung des Programms in einem begrenzten Rahmen erörtert.

Wenn auch diese Entwicklung mit Blick auf die Evaluation als ein aus unserer Sicht zeitgemäßeres Erhebungs- und Analyseinstrument nachzuvollziehen ist, so ist vor allem im Hinblick auf die modellhafte Umsetzung der Diagnosen zur Situation der Universität zu resümieren, dass das Programm der Modellprojekte in Studium und Lehre auch für die Zukunft seine Berechtigung hat und dauerhaft etabliert werden sollte. Die angestrebten Reformen an den deutschen Hochschulen können - so unsere Auffassung - nur dann nachhaltig gelingen, wenn den übergreifenden Strukturentscheidungen Instrumente zur Seite gestellt werden, die versuchsweise Eingriffe ermöglichen, im Rahmen derer sich die mit den jeweiligen Reformen intendierten und nicht intendierten Folgen messen und bewerten lassen.

Die Anpassung der Universitäten an sich verändernde Rahmenbedingungen ist auf die Diagnose der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Ansprüche und Aufgaben, damit aber auch auf vielfältige ‚Reforminstrumente' angewiesen. Die in diesem Bericht vorgestellten Modellprojekte können unter dieser Perspektive als ein möglicher Zugang zur Reorganisation der Universitäten angesehen werden und leisten insbesondere einen Beitrag zur Sicherung des Engagements in den Hochschulen.